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Die aktuelle Ausgabe der "Zeit" thematisiert die Unmöglichkeit in München bezahlbar zu Wohnen

Wohnen als Spekulationsobjekt statt als Menschenrecht

Das Dossier der aktuellen Ausgabe der "Zeit" nimmt sich ausführlich das Thema bezahlbarer Wohnraum vor und schafft einen guten Überblick, woran es hakt. Mit Fokus auf die teuerste Stadt Deutschlands. 44 Prozent Steigerung der Mieten in nur acht Jahren. Es fehlen mindestens 2 Millionen bezahlbare Wohnungen in Deutschland. Bezahlbar bedeutet, nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgeben zu müssen. Wie konnte in einem reichen Land wie Deutschland so ein Mangel an leistbarem Wohnen entstehen? Es geht um politisches Versagen und Sozialwohnungen als Börsenrenner, das "Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz" und den ehemaligen Konzern "Neue Heimat", sowie die Rolle von Mr. Lodge, Niedrigzinsen und Immobilien in Deutschland als sicheren Hafen für Spekulanten weltweit.

Bereits Hans Jochen Vogel, ehemaliger Oberbürgermeister von München, wusste, dass Wohnen kein Gut ist wie jedes andere. Wer sich kein Auto leisten kann, fährt halt Tram oder Rad. Aber wer nicht genug Geld hat für die Miete landet irgendwann auf der Straße.

 

3200 zu vergebende Sozialwohnungen jährlich vs. 30.000 Anträgen von wohnungssuchenden Haushalten

 

Die Nachfrage nach Sozialwohnungen übersteigt das Angebot um ein Vielfaches. Denn der soziale Wohnungsbau wurde über Jahrzehnte vernachlässigt. Einst sicherte das "Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz" durch Steuerbefreiungen der Baukonzerne bezahlbare Mieten und damit genug günstigen Wohnraum. Durch seine Abschaffung 1988 musste es dem freien Markt von Angebot und Nachfrage weichen. Und so wurde aus günstigem Wohnraum schnell ein wertvolles Investitionsobjekt. Hinzu kam, dass viele Städte sparen mussten und so ihre Immobilien privatisierten - um auf kurze Sicht finanziell gut dazustehen. Beispiel Berlin: allein 2004 wurden 65.700 staatliche Wohnungen an Privateigentümer verkauft. Günstiger Wohnraum, der jetzt fehlt und dem Staat ziemlich teuer kommt.

Auch die ablaufende Mietpreisbindung macht die ganze Situation nicht einfacher. Denn Sozialwohnungen bleiben nur für eine bestimmte Bindungsfrist Sozialwohnungen. Nach einer Spanne von zehn bis 40 Jahren, je nach Bundesland, ist die Wohnung auf dem freien Markt und somit kurz darauf oft nicht mehr bezahlbar. Von einst 4 Millionen Sozialwohnungen sind nur noch 1,1 Millionen übrig. Und das in einer Zeit, in der mittlerweile 6,3 Millionen Haushalte ein Anrecht auf eine Sozialwohnung hätten.

 

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme als Notschrei einer prekären Lage

 

Ein verzweifeltes Instrument der Stadt München ist nun die SEM (Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme). Um als Stadt Wohnungen bauen zu können, müssen erstmal Grundstücke erworben werden. Deren Besitzer wollen aber meist nicht verkaufen, weil sie genau wissen, dass diese Flächen in ein paar Jahren ein Vielfaches vom aktuellen Verkaufspreis wert sein könnten. Die SEM würde aber die öffentliche Hand ermächtigen, die Grundstückspreise einzufrieren. Man fühlt sich an die Sechzigerjahre erinnert, als Hans-Jochen Vogel den "Münchner Gesamtplan zur Beseitigung der Wohnungsnot" entwarf.


Deutscher Mietmarkt als sicherer Hafen für internationale Investoren

 

Mit der Finanzkrise 2008 ist das weltweit billige Geld auf der Suche nach einem sicheren Hafen, der zudem gute Rendite abwirft. Das Deutsche Wohnungsgeschäft boomt seitdem und internationale Investoren kaufen fleißig ein. Außerdem steigt seit 2008 wieder die Nachfrage nach Wohnraum. Arbeitskräfte und Fachpersonal aus ganz Europa benötigen Wohnraum in Deutschlands Städten, wo es noch genug Jobs gibt. Und genau dafür gibt es dann Mr. Lodge, den führenden Anbieter für die Vermittlung möblierter Wohnungen und Häuser auf Zeit im Großraum München".
Kurz­zeit­mie­ten für gut be­zahl­te Ar­beits­kräf­te, die für be­schränk­te Zeit in der Stadt sind: Auf ei­nem über­hitz­ten Im­mo­bi­li­en­markt ist das ein flo­rie­ren­des Ge­schäft, ei­nes, bei dem Ver­mie­ter noch mehr Geld ver­lan­gen kön­nen.

 

Bekommt also bald nur noch eine Wohnung, wer über Arbeitgeber wie Allianz, Google oder PwC dafür auserwählt wurde?

 

 

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